Dienstag, 17. April 2018

Die lieben Kollegen (22) - Drei Minuten

Ich bin ein Dieb, ein Zeiträuber! Nun muss ich mich schämen, und am Ende gar Zeit zurückgeben?

Mein Chef sprach mich gestern an, er müsse mich darauf hinweisen, dass es eine Anfrage vom HR gab bezüglich der Stempeluhr. Man könne schliesslich auf den Stempelprotokollen sehen, WO jeder gestempelt hat, und bei mir würde da oft das Nachbargebäude eingetragen sein!

Mein erster Gedanke war: Ein Aprilscherz? Macht sich da wirklich jemand die Mühe, sämtliche Protokolle der Angestellten nach dem ORT des Stempelns zu durchsuchen??

Mein zweiter Gedanke: Was soll das? Es gibt hier im Komplex viele dieser Uhren, und die Gebäude sind alle miteinander verbunden. Man kann zum Beispiel den Besucher-Eingang nehmen, dann müsste ich über einen freien Platz und eine Strasse ohne Fussgängerweg. Ich gehe, gerade im Winter, lieber durch den Flur und am Ende des Gebäudes aus dem Haus, auch weil ich dort zu meinem Auto komme, und beim Verlassen oder Ankommen stemple ich dort an der Tür. Nirgends gibt es eine Anweisung, die einem sagt, welche Uhr man zu nehmen hat oder wie weit sie vom Büro entfernt sein darf. Ich laufe keine Umwege, gehe einfach die Treppe hinunter und komme dann an dieser Uhr vorbei. Fertig.

Mein dritter Gedanke: Was macht das am Ende aus? Es sind am Tag etwa drei Minuten, macht pro Monat vielleicht eine knappe Stunde. Nun kann man sich vielleicht noch streiten, ob eine Stunde im Monat viel ist (wenn ich langsamer gehe, verbrauche ich diese Zeit auch auf dem Weg zu jeder anderen Uhr oder zur Toilette), aber wenn ich zusammen zähle, wie viel Zeit meine beiden Team-Kollegen schon verbraten, wenn sie täglich mehrere Male zum Raucherplatz gehen, im FB-Messenger chatten oder Videos schauen, kommt pro Tag (!) schon locker eine Stunde zusammen. Da macht man hier ein Fass auf wegen drei Minuten?

Neulich im Meeting wurde erwähnt, dass der HR-Bereich überlastet wäre. Jetzt ist mir auch klar, warum ... Immerhin hat mein Chef diesmal (vermutlich, weil Arbeit und Ärger mit mir drohte) recht cool reagiert und gesagt, dass er mit mir reden und mich bitten wird, eine Uhr zu suchen, die näher am Büro hängt, und damit die Sache für ihn erledigt sei.

Es ist schon erstaunlich, worüber man sich hier Gedanken macht! Wenn das die einzigen Qualitätsansprüche an Mitarbeitende sind, wundert mich die Ausschreibung für das neue Teammitglied absolut nicht mehr. Wir sitzen zu sechst in einem Büro von rund 30 m2, die Tische sind billig und nicht höhenverstellbar, die Stühle alt und durchgesessen, sodass ich mittags Rückenschmerzen bekomme, die Stellwände drohen täglich umzufallen, es gibt seit Jahren keine Gehaltserhöhungen, und da fällt dem HR nichts Besseres ein, als drei Minuten einzuklagen? Das sind knapp 0,5% meines täglichen Pensums. Ich fasse es nicht. Sollte mich noch einmal jemand darauf ansprechen, werde ich fragen, ob ich künftig den Aufzug statt der Treppe nehmen soll, weil sich damit bestimmt auch jedes Mal 60 Sekunden sparen liessen. Und da kommt Einiges am Tag zusammen.

Es ist so absurd, dass ich das Thema gestern Morgen gleich abgehakt habe. Schliesslich hätte ich damit sonst weit mehr als drei Minuten verschenkt. Und das ist ja bekanntlich eine Todsünde, wie ich jetzt auch weiss.

6 Kommentare:

  1. Das ist ja so selten dämlich, daß es noch nicht mal aprilscherztauglich ist.

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    1. Deswegen war ich auch völlig perplex, als mein Chef mit diesem Thema ankam. Falls der HR oder der Vorgesetzte meines Chefs noch jemals mit diesem Quatsch ankommen, muss ich mich ernsthaft zusammenreissen, um nicht die Contenance zu verlieren. :(

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  2. The Same Procedure As Every Week:
    Eierlikör rüberschieb.

    Es muss doch für Dich nen nicht ganz so schizophrenen Weg geben, sich die Butter, Wurst und Käse aufs Brot zu verdienen....

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    1. Hatte ich gestern Abend, den Eierlikör. Wenn das so weitergeht, sind die Vorräte bald aufgebraucht! Ich denke jede Woche, schlimmer kann es nicht mehr werden, und dann kommt wieder ein neuer Knüppel angeflogen. Ich würde auch wieder intensiver nach Alternativen schauen, wenn nicht die eigentliche Arbeit richtig gut wäre. Schade, dass die Rahmenbedingungen sooo schlecht sind. Ich hoffe immer noch auf den Neuen, der irgendwann ins Team kommt. Wenn der mitziehen würde, wäre das durchaus ein Gewinn.

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    2. Dann mal akribisch ne Gegenrechnung aufführen.
      Wie oft gehst Du nach offiziellem Feierabend ans Telefon, liest noch ne Mail.....oder in der Pause....
      Stimmt aber, Hoffnung auf den Neuen.
      Oder bewirb Dich auf den Posten vom Chef.

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    3. Wenn es nicht so kindisch wäre, sollte man das eigentlich tun. Es würde schon die Frage in einem Monat reichen, an welcher Stelle meines Zeitbogens sich denn nun durch diese dramatische Ansage etwas geändert hätte. Heute zum Beispiel hab ich exakt zur selben Minute eingestempelt wie gestern, trotz der anderen Uhr.
      Nee, es ist mir einfach zu blöd. Aber sollte der Chefchef tatsächlich noch ein Wort verlieren, werde ich nicht hinter dem Berg halten (können).

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