Donnerstag, 28. Februar 2019

Frage an BWLer

Überall muss gespart werden, das ist ja nichts Neues. Lohnerhöhungen - nicht in Sicht, Abbau von Stellen - nicht ausgeschlossen. Das alles ist nachvollziehbar, selbst für einen Laien im Bereich Controlling.

Was ich aber nicht verstehe: Warum wird hier im Hause so ein Gezeter wegen Überstunden gemacht? Angeblich ist das dem zentralen HR und Controlling ein Dorn im Auge, und zwar nicht, weil vermutet wird, dass zu viel Arbeit für zu wenig Leute vorhanden ist, sondern weil es sich bei den Stunden um eine grosse Menge Geld handelt, die man im Budget vor sich her schiebt. Und das verstehe ich nicht. Schliesslich werde ich nicht auf Stundenbasis bezahlt, sondern erhalte ein festes Gehalt. Wie soll sich da ein Stundenguthaben auf die Finanzen der Firma auswirken? Was spielt es im Controlling für eine Rolle, ob ich nun 20 oder 50 Überstunden habe? Wenn ich dann mal zwei Tage zu Hause bleibe, ist alles wieder gut?

Ich kann das nicht nachvollziehen. Also vielleicht liest hier jemand mit, der mir das mit einfachen Worten erklären kann ...?

Merci. :-)

6 Kommentare:

  1. Ich bin kein BWLer, aber das ist eigentlich ganz einfach: durch Überstunden und z.B. Alturlaub, bzw. Urlaub, den man ins nächste Jahr mit übernimmt vom Vorjahr muss ein Betrieb sogenannte finanzielle Rückstellungen bilden, die in die Bilanz einfließen. Das Verfälscht z.B. die Jahresbilanz und wird nicht gerne gesehen. Es ist somit nicht Dein Geld, sondern das der Firma. Und da geht es eben nicht um ein paar Euro fuffzig, sondern je nach Betriebsgröße auch um richtig viel Kohle.

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    1. Genau DA fehlt mir irgendwie das BWL-Gen. :-D Wobei ich das bei einem Jahreswechsel noch irgendwie halbwegs verstehen kann, aber warum meine Überstunden jetzt finanzielle Rückstellungen nach sich ziehen, leuchtet mir leider nicht ein. Entstehen denn der Firma irgendwelche Risiken durch diese aufgelaufenen Stunden oder warum ist das nötig?
      Gut, ich will jetzt hier keine BWL-Fachdiskussion entfachen. Muss vermutlich einfach so sein ... ;-)
      Merci jedenfalls, Finchen!

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    2. Google das mal: Rückstellungen für Überstunden. Da wird das jeweilige Gehalt zugrunde gelegt, ebenfalls bei Urlaub.

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    3. Dieser Suchbegriff war hilfreich, danke Dir!
      "Am Bilanzstichtag liegt ein Erfüllungsrückstand vor, der seine Ursache in der Tätigkeit des Arbeitnehmers im abgelaufenen Geschäftsjahr hatte. In dieser Situation ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden."

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  2. Hallo Herr B.,

    das ist deshalb unterjährig relevant, weil ein Betrieb keine sich das ganze Jahr über im Zeitverlauf aufbauenden Kosten i.w.S. erst beim Betriebsergebnis zum Jahresende haben möchte ("shareholders don't like surprises"). D.h. das ganze Jahr über müssen Überstunden jeden Monat in das Betriebsergebnis einfliessen und nicht erst der ganze Hammer in den Dezember. Ein Betrieb macht immer einen Betriebsergebnisplan für das nächste Jahr. Der ist auf Monatsbasis. Im Ist-Jahr wird dann jeden Monat das Ist-Monatsergebnis mit dem Monats-Plan verglichen. Zu jedem Monatswechsel wird das Controlling wahnsinnig gemacht, so schnell wie möglich das Vormonats-Betriebsergebnis zu ermitteln, und wehe, es ist nicht mindestens gemäss Plan. Dann rollen Köpfe, und der Aktienkurs sinkt. Vielleicht ist Ihnen in den Medien schon mal die Formulierung "die Quartalszahlen wurden oder wurden nicht erreicht" aufgefallen. So ein Plan unterstellt einen im Jahresverlauf konstanten oder sich stetig verbessernden Verlauf (sonst wird er nicht genehmigt). D.h. man will keine "Sprünge" im Ergebnisverlauf haben (z.B. schlechteres Ergebnis im Dezember, weil erst dann alle Überstunden einfliessen). Sehen Sie als weiteres Beispiel Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, 13./14. Gehalt (erstere kennen Sie vielleicht aus Ihrer Tätigkeit bei der Behörde in Berlin, in der Schweiz nennt man das wie zweiteres). Das wird in einzelnen Monaten ausbezahlt, gilt aber für das ganze Jahr. Um nicht in den z.B. 2 Monaten, in denen dies anfällt, ein niedrigeres Betriebsergebnis auszuweisen als in den anderen (Aktienkurs springt nach oben und unten, Geschäftsführung im Kreis und wird von den Anteilseignern traktiert, Köpfe rollen), fliesst jeden Monat 1/12 davon in das Monatsergebnis ein. Sie sehen das dahingehend korrekt, als dass Sie eine Relevanz beim Jahreswechsel erkennen. Nach HGB, IFRS (und möglicherweise Swiss GAAP) ist beim sogenannten Jahresabschluss auch nur das relevant. Die Realität ist jedoch, dass in Betrieben das ganze Jahr über alles gleich bis akzelerierend und im Plan sein muss, sonst geht die Welt unter, jeden Monat wird ein Forecast zum Jahresende gemacht, deshalb verteilt man alles auf 12 Monate. Ist insoweit auch sinnvoll, als dass zum Jahrsende keine Überraschungen, z.B. in Form von ganzjährigen Überstunden erscheinen.

    Natürlich gibt es bei Behörden und (öffentlichen) Krankenhäusern keinen Aktienkurs, aber seien Sie sich gewiss, dass das Procedere gegenüber Industriebetrieben kein anderes ist.

    Wenn Sie künftig in den ersten Tagen eines Kalendermonats (oder gar -jahres) auf Kollegen treffen, die sich nur mit Mühe wachhalten können - oder das ganze Jahr über unverständliche Fragen stellen und um nicht nachvollziehbare Daten ersuchen - sind es die Controller.

    Alles Gute für Sie und Ihre Freundin - ich finde es absolut klasse, wie sich Ihre Situation (d.h. Ihr Glück) entwickelt!

    Joachim

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    1. Hallo Joachim,
      herzlichen Dank für den ausführlichen Kommentar und die guten Wünsche. Eines weiß ich jedenfalls - Controller wäre kein Job für mich. Von den vielen Zahlen wird einem schwindelig, und ständig kommen irgendwelche Chefs und erwarten auf Knopfdruck irgendwelche Auswertungen, die dann natürlich auch noch dem erwarteten Ergebnis entsprechen sollen.
      Ich denke schon, dass der Druck bei uns auch sehr groß ist, da die Sparzwänge immer mehr um sich greifen und alle Ausgaben argwöhnisch geprüft werden. Das ist nicht nur für die Verantwortlichen schwierig, sondern macht uns auch das Leben schwer, da Anschaffungen kaum noch möglich sind und man stattdessen mit dem alten "Zeug" so lange arbeiten muss, bis es überhaupt nicht mehr funktioniert.

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