Dienstag, 9. Mai 2017

So ist die Schweiz

Also - wie ist sie denn nun, die Schweiz? Ist sie wirklich so, wie man sie sich ausserhalb des Landes vorstellt? Stimmen die Klischees von Heidi, dem Wohlstand, der Idylle?

Wunderschön ist in jedem Fall die Landschaft. Ich denke, das ist unbestritten. Eine Fahrt durch das Emmental oder ein Ausflug ins Berner Oberland lassen einen immer wieder staunen. Hier scheint die Natur noch ursprünglich zu sein, die Berge grösser, die Bäume grüner. Und in den Dörfern ist die Zeit oft ein wenig stehen geblieben. Tradition und das Glück der geringen Zerstörung im Krieg sorgen dafür, dass an vielen Stellen Altes bewahrt wird.

Hoch sind die Berge überall, man kann sie nicht übersehen, egal wo man sich in der Schweiz aufhält. Um daher wirklich mal ein wenig in die Ferne schauen zu können, muss man schon hoch hinaus. Wer also, wie mein Chef, an der Küste aufgewachsen ist, dem wird hin und wieder die Weite fehlen.

Und weil die Schweiz ein kleines Land ist, wirkt alles irgendwie gedrungener, enger, die Distanzen quer durchs Land sind deutlich kürzer. Dafür ist die zwischenmenschliche Distanz, ich schrieb es schon einmal, gefühlt grösser. Der Freundlichkeit (und manchmal stoischen Geduld und Langsamkeit) der Einheimischen steht eine starke Zurückhaltung, die teilweise schon devot wirkt, entgegen. Man wird fast nie ein böses Wort hören, lieber erträgt man das, was einem widerfährt, ordnet sich brav ein, entschuldigt sich öfter als nötig und bedankt sich immer "viel mal".

Anders als wir Deutschen sind Schweizer stolz auf ihr Land und zeigen das auch. Schweizer Fahnen findet man immer und überall, und im Gegensatz zu "uns" ist der Nationalfeiertag hier auch Anlass zur Freude und zum Schmücken der Häuser, und nicht nur ein Tag, an dem man glücklicherweise nicht arbeiten muss.

Und die sonstigen Klischees? Ein Kollege aus Berlin meinte einmal zu mir, dass doch die Strassen in der Schweiz sicherlich fantastisch ausgebaut und in einem einwandfreien Zustand seien. Ja, so stellt man sich die Schweiz eben vor - Reichtum, Überfluss und Nummernkonten. :) Ganz so ist es nicht, auch wenn der Wohlstand sicherlich ein Markenzeichen des Landes ist. Trotz der im Vergleich hohen Gehälter darf man eben auch die hohen Lebenshaltungskosten nicht vergessen, und so schwimmt längst nicht jede Familie im Geld.

Allerdings sind verschiedene Dinge, wie z. B. Elektronik, kaum teurer als in Deutschland und damit im Verhältnis zum Einkommen deutlich günstiger. Und daher kann man sich eben eher mal ein Apfel-Gerät als Statussymbol leisten. Gefühlt würde ich sagen, dass 50 Prozent der Schweizer ein Telefon mit Apfel besitzen. Als ich noch regelmässig Zug fuhr, habe ich mir hin und wieder den Spass gemacht, und die Ladegeräte gezählt, die im Wagon eingesteckt waren. Das war fast ausnahmslos iPhone-Zubehör.


Über leckere Schokolade aus der Schweiz muss ich wohl nicht viele Worte verlieren (übrigens findet man in den Supermärkten hier fast ausschliesslich einheimische Produkte und die vielen Marken, die man in Deutschland kennt, tauchen gar nicht auf). Und wer Käse mag, der findet, wie erwartet, eine riesige Auswahl - alles aber zu hohen Preisen, an die man sich gewöhnen muss.

Nun wird der Eine oder Andere anmerken, dass viele Beobachtungen in ähnlicher Weise auch auf seine Heimat zutreffen - gerade wenn ich an Süddeutschland denke, stimmt das sicherlich. Der Übergang ist z. B. in Sachen Natur ja auch fliessend. Aber für mich als Berliner, der rund 1000 km nördlich gewohnt hat, sind die Unterschiede schon gravierend, und auch die Mentalität hier ist eine ganz andere. Ich empfinde sie als sehr angenehm, und die deutschen Dialekte sind, wenn man sie denn erst mal versteht, sympathisch. Ungewohnt ist nur, dass es halt noch drei weitere Amtssprachen gibt, und somit öffentliche Bekanntmachungen, je nach Zielgruppe, auch in vier Sprachen erscheinen.

Ich mag sie sehr, die Schweiz. Auf der Suche nach mehr Ruhe, Gelassenheit, weniger Chaos, Dreck und Krach hat mich die Liebe in ein Land gebracht, in dem ich, gemeinsam mit Rosalie, gern alt werden möchte.


7 Kommentare:

  1. Und ich hab schon Angst gehabt, dass Du mir meine Illusion zerstörst. Na, das geht ja noch, irgendwie... Puh. ;)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Also ein Besuch lohnt sich garantiert (als nächstes Ziel nach NY)! Und wenn man, aus Deutschland kommend, erst einmal die exorbitanten Preise verdaut hat, kann man den Rest wirklich geniessen.
      Meinem Papa hat es hier auch sehr gefallen und er überlegt schon, im nächsten Jahr wieder her zu kommen. :)

      Löschen
  2. Lieber Herr B.
    Ich als Schweizerin mit vielen deutschen Bekannten und Freunden vermisse das "Bitte" und "Danke" bei vielen Deutschen. Auch bei einigen deutschen Touristen die zu uns kommen. Und devot? Lach....hahahahahaha...Es gibt einfach kulturelle Unterschiede. Wir haben eine hohe Lebensqualität. Und das zeigt sich wohl auch in Gelassenheit und dem frei wählen können was und wie wir auf das Aussen reagieren wollen. Übrigens, ich mag Deutsche! Lach. Und gehe auf alle Menschen offen und lachend zu. Liebe Grüsse... auch an Rosalie ❤️

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Du hast Recht, diese Kritik an uns Deutschen höre ich öfter und teile sie durchaus. Mir wurde dagegen schon öfter das Kompliment gemacht, dass ich mich gar nicht wie ein typischer Deutscher verhalten würde. Vielleicht komme ich deswegen hier so gut klar und fühle mich wohl. Vermutlich war ich in einem früheren Leben mal Schweizer :)
      Die Grüsse werde ich sehr gern ausrichten. Merci!

      Löschen
    2. Ich freue mich, dass es dir so gut geht! Lach
      Und die Grüsse an Rosalie bitte mit Stichwort; gleicher Name, nämlich M. ��und Graubünden. Dem schönsten Kanton der Schweiz! Yeahhhh

      Löschen
    3. Ich sage ihr Bescheid, mal schauen, ob sie etwas mit dem Stichwort anfangen kann. :)

      Löschen
    4. Deine Rosalie ist MINDESTENS so schlau wie ich. Sie kann etwas damit anfangen! ;-)

      Löschen