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Montag, 31. Oktober 2016

Reise in die Vergangenheit

Es ist vollbracht! Was ich mir so locker und leicht vorgestellt hatte, wurde dann aber doch noch zu einer emotionalen und auch physischen Herausforderung. Doch der Reihe nach ...

Mein letzter Arbeitstag am vergangenen Mittwoch begann gegen 9:30 Uhr in meinem Team. Ich wechselte noch ein paar Worte mit meiner Teamleiterin, bevor um 10 Uhr die gesamte Chef-Etage antrabte und mich vor versammelter Runde verabschiedete. Dazu erhielt ich noch ein Berlin-Überlebenspaket mit allerlei witzigen Souvenirs aus der Stadt. Ich hab mich wirklich gefreut und noch eine kurze Rede an mein Team gerichtet. Schließlich habe ich sechs Jahre mit ihnen verbracht.

Nach vielen guten Wünschen und zahllosem Händeschütteln ging der Abschiedsmarathon weiter zu meinem Projektteam, dem ich während der letzten drei Jahre angehörte. Dort haben wir zusammen Mittag gegessen. Nachdem ich mich dann gegen 14 Uhr auch von diesem Team verabschiedet hatte, fuhr ich zum letzten Mal mit dem Lift nach unten, passierte das Drehkreuz und gab meinen Dienstausweis ab.

Der Moment fühlte sich gut an, ich war entspannt, hatte ein breites Grinsen im Gesicht, spürte keinerlei Wehmut und schlenderte gut gelaunt zum Flughafen. Dort wartete schon meine Lieblingsmaschine, die "Weiße". Skywork verfügt über fünf dieser kleinen Dornier 328, jedoch besitzt nur eine diese besondere, weiße Lackierung. Und diese Maschine war die erste, mit der ich damals nach Bern flog. Deshalb ist sie für uns etwas Besonderes und ich habe mich gefreut, dass genau dieses Flugzeug mich abholte zu meinem vorerst letzten Flug in die Schweiz. Ich hatte das Glück, in der ersten Reihe sitzen zu können, und so ganz ohne Gepäck (ich hatte nur Geld und Schlüssel dabei) war es um so angenehmer. Ich habe diesen letzten Flug noch einmal genossen.

In Bern nahm mich meine Liebste in Empfang und wir fuhren direkt nach Hause. Wir haben noch in Ruhe ein Glas Wein getrunken, sind aber früh schlafen gegangen, denn am nächsten Tag warteten über 1000 km Autofahrt auf uns.

Die Fahrt war über weite Strecken sehr angenehm, lediglich die unendliche LKW-Kolonne auf der rechten und oft auch mittleren Spur nervte sehr. Lange waren wir gut im Zeitplan, doch kurz vor Leipzig warnte das Radio dann vor einer Vollsperrung auf der A9. Wir suchten und fanden eine riesige Umfahrung, doch nach etwa 25 km durch verschlafene Dörfer im Burgenlandkreis hieß es, die Sperrung sei nun aufgehoben, und wir entschlossen uns, umzukehren und die geplante Strecke Richtung Berlin weiter zu fahren. Ein wenig Stau gab es immer noch, und so kamen wir mit einer Stunde Zeitverlust im Hotel im Norden der Stadt an. Wir aßen noch sehr gut und fielen dann ins Bett.

Der Freitag wurde dann zu einer Reise durch die Zeit, von meiner Kindheit bis hin zu meinen langjährigen Beziehungen. Begonnen hatte er mit einem Besuch bei meiner Ex. Sie schrieb mir zuvor, dass sie noch Dinge von mir gefunden hätte und mir diese gern mitgeben wolle. Also führte uns der erste Weg zu meinem früheren Zuhause während meiner Ehe bis zum Jahr 2007. Meine Ex war überrascht, dass Rosalie mit dabei war, verhielt sich aber ganz locker. Wir tranken einen Kaffee und ich sortierte Dutzende Schallplatten (das sind die schwarzen, runden Dinger, die man mit einer Nadel abtastet, um etwas hören zu können) und Bücher. Dazu stand noch eine große Kiste mit Unterlagen parat, die wir dann ins Auto luden. Als alles drin war, wuchsen schon meine Bedenken, ob wir am Ende wirklich alles ins Auto bringen werden ...

Weiter ging es zu E., die ganz in der Nähe wohnt. Dort tranken wir ebenfalls einen Kaffee, plauderten eine Weile, und mit weiteren guten Wünschen verließen wir auch diesen Ort, an dem ich mich bis 2013 immer wieder gern aufgehalten hatte, Richtung Wohnung.

Während meiner Abwesenheit hier hatte eine Bekannte noch ein wenig geputzt, und so sah mein Zuhause bestens präpariert aus für die Übergabe. Doch bis dahin mussten wir es erst mal noch leer räumen. Das war dann doch eine größere Herausforderung, als ich gehofft hatte. Nachdem etwa 50% der Kartons, Taschen und Tüten im Wagen verstaut waren, näherte sich die Kapazität unseres Autos schon bedenklich ihrem Ende. Irgendwann mussten wir einsehen, dass wir ganz sicher nicht alles würden unterbringen können. Also blieb nichts weiter übrig, als ein paar besonders sperrige Dinge, auf die ich vorerst verzichten konnte, bei meinem Papa im Keller einzulagern.

Und so brachen wir an der Stelle ab und fuhren, mitten im Berufsverkehr, nun zum Ort meiner Kindheit. Dort leerten wir das Auto und gingen anschließend gleich noch mit Papa und Stiefmutter essen. Erwartungsgemäß wurde auch hier der Abschied schwer und tränenreich.

Erst im Dunkeln kamen wir wieder in meiner Wohnung an und mussten nun im Dunkeln das Auto beladen. Das war alles Andere als einfach und zehrte an den Nerven. Wir mussten jeden Zentimeter der Ladefläche nutzen, um alles unterzubringen. Mit Schieben, Drücken, Umpacken und Fluchen haben wir es irgendwann tatsächlich geschafft, meine persönlichen Dinge komplett unterzubringen. Rosalie hat ganze Arbeit geleistet und ihr Auto im wahrsten Sinne bis unters Dach voll gepackt, während ich ständig drei Etagen rauf und runter lief, um alles aus der Wohnung zum Auto zu tragen.

Spät am Abend waren wir zurück im Hotel, tranken noch ein Glas Wein und fielen wieder direkt ins Bett. Am Samstag um 10 Uhr stand ja schon die Schlüsselübergabe an. Eigentlich wollten wir vor dem Vermieter dort sein, um noch die letzten leeren Tüten und Kartons zu entsorgen, aber das gelang uns nicht. Also betraten wir gemeinsam meine Wohnung, schrieben die Zählerstände auf und tauschten ein paar Formulare aus. Mehr war ja nicht zu tun, schließlich sollte alles so bleiben wie bisher. So eine lockere Wohnungsübergabe hatte ich in meinem Leben noch nie!

Alles war schnell erledigt, ich gab meine Schlüssel ab und war die Wohnung los! Es blieb gar keine Zeit, um mir darüber Gedanken zu machen oder zu fühlen, wie es mir dabei geht, denn wir hatten ja schon das nächste Ziel vor Augen: meine Mutter und meinen Halbbruder in der Oberpfalz! Eine halbe Stunde später verließen wir Berlin Richtung Bayern!

Meine Mutter hatte sich 1979 von meinem Vater getrennt und war zu einem neuen Mann nach Bayern gezogen. Nachdem wir uns in den ersten Jahren öfter sahen, wurde die Beziehung im Laufe der Jahre immer oberflächlicher. Letztendlich habe ich sie im Jahr 2003 zuletzt gesehen. So lange war ich daher auch nicht mehr in ihrem Wohnort, und es war etwas Besonderes, in diese Kleinstadt zurück zu kehren.

Wir waren rechtzeitig im Hotel und konnten vor dem Treffen noch ein wenig durch den Ort bummeln und im Hotel ausruhen. Um 19 Uhr waren wir im Restaurant verabredet. Es wurde, nach fast 14 Jahren Pause, ein besonderes Wiedersehen! Alt war sie geworden, meine Mutter, und Vieles hatte sich in ihrem Leben verändert, seit ihr neuer Mann 1996 verstarb. Das Vermögen war aufgebraucht, das Haus verkauft, und heute reicht es nicht einmal mehr, um den Sohn zum Essen einladen zu können. Ein trauriges Schicksal und eine Ironie des Schicksals: Damals, 1979, setzte sie sich ins gemachte Nest bei ihrem neuen, reichen Mann, während mein Vater zwar ein gutes Auskommen hatte, aber keinesfalls reich war. Heute, bald 40 Jahre später, bucht mein Papa eine Kreuzfahrt, während meine Mutter kaum weiß, wie sie die Miete aufbringen soll.

Wir hatten im Vorfeld schon klar gemacht, dass wir sie einladen werden, und sie haben den kleinen Ausflug vom grauen Alltag sichtlich genossen. Wir haben von alten und neuen Zeiten erzählt und hatten einen schönen Abend. Nach knapp drei Stunden haben wir uns verabschiedet, und irgendwie hat sie mir und uns schon leid getan, wenngleich sie sicherlich nicht unschuldig an ihrer Situation ist. Im nächsten Jahr wird sie 75, das könnte sicherlich ein Grund sein, um sie noch einmal zu besuchen. So könnten wir meinem Halbbruder vielleicht auch den Wunsch erfüllen, sein früheres Pferd noch einmal zu sehen, das er mangels Geld nicht mehr besuchen kann ...

Schließlich folgte am Sonntag die letzte Etappe. Nach einem guten Frühstück im Hotel fuhren wir in Richtung Schweiz. Die Sonne schien, und wegen des Wochenendes waren kaum LKW unterwegs. Wir kamen gut voran und hatten nur vor der Grenze ein wenig Herzklopfen - es wäre ein Albtraum gewesen, wenn uns der Zoll überprüft hätte. Wir hatten zwar nichts Verbotenes dabei, aber allein der Gedanke, das Auto komplett leer räumen zu müssen, ließ leichte Panik aufkommen. Unser Auto wurde aber kaum beachtet, wir durften ohne Halt durchfahren und waren erleichtert!

Jetzt konnten wir entspannt die letzten Kilometer in Angriff nehmen und kamen noch bei Tageslicht in unserem wundervollen Haus an. Es dauerte allerdings eine ganze Weile, bis wir das Auto ausgeladen hatten:


Heute, rund einen Tag nach der Ankunft, ist noch längst nicht alles eingeräumt. Das wird etwas Zeit brauchen, aber auch ein bisschen Erholung muss nach diesen aufregenden Tagen noch sein, bevor morgen das nächste große Abenteuer beginnt: der erste Tag im neuen Job!

Nun bin ich also hier, so ganz und gar! Noch kann ich das gar nicht recht fassen und werde sicherlich noch ein paar Tage brauchen, um das alles zu verarbeiten und zu begreifen. Es waren sehr viele Eindrücke, und ständig kommen neue hinzu.

Wie es mir damit geht und was mir in den nächsten Tagen so passiert - ich werde berichten!

Donnerstag, 22. September 2016

Privilegiert

Vor Jahren habe ich mich in einem Post mal darüber amüsiert, wie viele Jugendliche, aber auch Erwachsene mit zwei Handys unterwegs sind. Tja, nun gehöre ich selbst dazu!

Allerdings hat das wirklich einen praktischen Grund. Nach meinem Umzug brauche ich in jedem Fall einen neuen Vertrag in der Schweiz, und mein derzeitiger Vertrag, der mit 3,99 EUR unglaublich günstig ist, taugt im Nicht-EU-Ausland überhaupt nichts. Also habe ich mich bei den Providern in der Schweiz umgeschaut und einen Tarif gefunden, der gut zu mir passt. Über Preise reden wir lieber nicht, die sind jenseits von Gut und Böse - wie bei bekanntlich fast allem, was man käuflich erwerben muss. Dafür habe ich zumindest eine kostenlose Wunschnummer, in der unsere beiden Geburtstage enthalten sind, und noch ein stark subventioniertes neues Telefon. Kein "Apfel" übrigens, auch wenn ich mich damit in der Schweizer Öffentlichkeit schon sehr als Ausländer oute. :-)

Und so bin ich nun vorläufig immer mit zwei Telefonen unterwegs, bin dafür aber auch ohne Unterbrechung (für Schweizer: Unterbruch) unterwegs erreichbar, was toll ist zum Surfen und praktisch, wenn Zug oder Flugzeug mal wieder zu spät sind und ich Rosalie erreichen möchte. Außerdem können mich Schweizer nun auch ganz einfach in Deutschland anrufen, was gerade wieder von Vorteil war, weil ich auf einen Anruf der Steuerbehörde in Fribourg wartete.

Dienstag, 13. September 2016

Mein neues Team

Es war besonders, in jeder Hinsicht. Der ganze Tag hatte seinen Reiz. Angefangen von der Weckzeit, die fast exakt der Uhrzeit entsprach, zu der ich dann ab 1. November aufstehen muss, dann die erste "Routine-Fahrt" mit dem Auto, zumindest bis zum Bahnhof, und natürlich und vor allem die ersten Gespräche mit dem neuen Team, von denen ich bisher nur 2 Personen aus dem Vorstellungsgespräch kannte.

Dem Schweizer wird oft vorgeworfen, dass er eher zurückhaltend sei und lange auf Distanz bleibe. Das kann ich zumindest von meinem neuen Team nicht behaupten. Im Verlauf des Tages kam ich mit fast allen der rund 15 Personen ins Gespräch, habe mich immer nett unterhalten und es entstand nie eine peinliche Situation.

Es ist eine gute Mischung aus ganz jungen Leuten, Kollegen und Kolleginnen mittleren Alters - und mir! :) Ja, in der Tat werde ich der Älteste sein, aber ich fühle mich nicht so, und nur darauf kommt es an.

Wir haben uns am Bahnhof getroffen, nach einer kleinen Bahnfahrt beim Werksverkauf DER großen Keksfabrik in der Schweiz gehalten, und dann ging es per Gondel nach oben auf rund 1400 m. Nach einem leckeren Mittag konnten wir mit Carts den Berg hinunter kacheln und letztlich mit dem Zug wieder zurück nach Bern fahren.

Wir hatten Glück mit dem Wetter, es war weder zu warm noch zu kalt, und dazu Postkartenhimmel. Hier noch zwei Impressionen von diesem wirklich schönen Tag im Emmental, zu dem ich eingeladen wurde, obwohl ich noch gar nicht dort arbeite.



Dienstag, 6. September 2016

Er ist da!

Das war wieder ein ereignisreiches, positives Wochenende! Nicht nur, dass ich es genossen habe, am Sonntagnachmittag nicht auf die Uhr schauen zu müssen ... Nein, das Beste war natürlich am Samstagvormittag das Abholen meines Autos.

Als wir beim Händler eintrafen, stand es ganz prominent direkt am Eingang, mein Name stand am Spiegel. Tatsächlich MEIN Name! Der ganze Bürokratiekram dauerte etwa 20 Minuten, dann konnte ich mich endlich in MEIN Auto setzen. Es roch noch so "lecker" nach neuem Auto! Ich liebe diesen Geruch. Von innen und außen sah es aus wie neu, obwohl es schon ein Jahr alt ist. Ich werde es wohl nie wieder so sauber sehen.

Da ich schon während der Probefahrt mein Handy mit dem Bordcomputer gekoppelt hatte, haben sich die beiden Geräte sofort wieder gefunden und ich konnte direkt meine Lieblingsmusik spielen! Also Power on und los ging es. Einfach g*il! Unterwegs habe ich noch meinen Schatz angerufen, sie fuhr direkt hinter mir. Also Sprachsteuerung aktiviert: "Anrufen Rosalie mobil!" Eine nette Stimme wiederholte meinen Wunsch und schwups hatte ich meine Liebste auch schon am Telefon.

Zu Hause noch schnell die Daten vom Navi auf dem Notebook aktualisiert und noch einmal geschnüffelt im Auto, und dann durfte es bis Montagmorgen ausruhen. Leider regnete es dann in Strömen, und mein schönes Auto wurde nass! Und schmutzig. Von außen und innen! Aber ich konnte Rosalies Kinder schlecht in Strümpfen einsteigen lassen. :)

Wir haben dann gestern auch noch für mich ein Schweizer Bankkonto eröffnet und am Nachmittag eine Krankenkasse ausgewählt und dort einen Vertrag gemacht.

Nun ist fast alles erledigt, was ich bis zu meinem Umzug vorbereiten muss. Auch der Nachsendeauftrag bei der Post ist schon gestellt. Ich war ganz überrascht, dass die Deutsche Post mir ein Jahr lang die Post in die Schweiz nachsendet, und das für nur 25 Euro! Ich dachte erst, ich hätte mich verlesen und das seien die Kosten pro Monat. Aber nein, es gibt diesen Service tatsächlich zu dem günstigen Preis!

Jetzt kann und muss ich mich langsam daran machen, meine alte Wohnung auf den Kopf zu stellen und auszusortieren, was weg kann. Das sollte aber kein größeres Problem werden und in ein paar Stunden erledigt sein. Ein Mann besitzt doch nur das wirklich Notwendige zum Leben!

Donnerstag, 4. August 2016

Schweizer Mentalität (ein Post nur für Nicht-Schweizer)

Ich hatte in den letzten drei Jahren genügend Zeit und Gelegenheit, die liebenswerten Eigenheiten der Eidgenossen kennen zu lernen. Was ist mir so aufgefallen?

Besonders (oder nur?) als Berliner bemerkt man überall das geringere Tempo des Alltags. Mit Ausnahme vielleicht des Supermarktes im Hauptbahnhof hat man eigentlich stets das Gefühl, Ruhe, Gelassenheit und besonnenes Handeln sind feste Grundsätze, übertriebene Hektik und Eile findet man eher selten vor. Für mich war das zu Anfang schon eine Herausforderung. Ich erinnere mich an eine Situation an der Kasse eines Marktes, als Rosalie in aller Ruhe Kleingeld und dann auch noch eine Bonuskarte zusammen suchte. Das Ganze dauerte gefühlt eine kleine Ewigkeit. In Berlin hätten die wartenden Kunden schon mit Schnappatmung reagiert. Ich merkte, wie ich leicht panisch die Warteschlange betrachtete, aber niemand machte Anstalten, ungeduldig zu werden. Faszinierend! Genauso wie an der Ampel, wo keiner hupt, wenn man nicht schon bei Gelb losfährt. Das ist vielleicht hier in der Großstadt besonders ausgeprägt, aber es fällt mir dadurch sehr angenehm auf. Es wird auch nicht gedrängelt beim Ein- und Aussteigen im ÖV, alles wirkt irgendwie sehr entspannt!

Der Schweizer an sich ist sehr, sehr höflich. Er bedankt sich eher einmal zu viel als zu wenig, stellt Fragen lieber im Konjunktiv als direkt und erkundigt sich selbst in der S-Bahn mit: "Isch da no frey?", auch wenn ich im Viererabteil ganz offensichtlich allein sitze und niemanden erwarte. In einem Buch über Schweizer habe ich gelesen, dass diese Höflichkeit zwar überall vorhanden sei, es allerdings schwierig wäre, darüber hinaus persönliche Kontakte herzustellen. Der Schweizer sei da sehr zurückhaltend. Ob das stimmt, kann ich nicht beurteilen, da bisher immer Rosalie an meiner Seite war und mich in fremder Gesellschaft eingeführt hat.

Apropos Höflichkeit - merkt der Deutsch-Schweizer, dass sein Gegenüber keinen einheimischen Dialekt spricht, switcht er im Normalfall automatisch auf Hochdeutsch um. Das finde ich sehr angenehm, da die Verständigung sonst u. U. leiden könnte. Bei Rosalie und mir führt es dazu, dass sie auch mit mir noch immer nur selten Mundart spricht, auch wenn ich es inzwischen recht gut verstehe. Ich muss sie immer wieder daran erinnern.

Sobald man sich im Privaten etwas näher kennt, ist es zwischen Männern und Frauen üblich, dass man sich drei (!) Mal zumindest symbolisch auf die Wange küsst (links-rechts-links). Wann man damit beginnt, entscheidet sich spontan. In jedem Fall spricht man sich dabei am besten mit dem Vornamen an. Das gilt auch für das beliebte Zuprosten. Gar nicht so leicht, wenn man in eine größere Runde von Menschen kommt, die man alle eben erst kennen gelernt hat. Am besten hört man dann den Anderen gut zu und hängt sich ran. ;-)

Ich bin gespannt, ob mir auch im beruflichen Alltag Dinge auffallen werden, die anders sind als gewohnt. Da ich mich als "pflegeleicht" einschätze und mich zudem in einem neuen Umfeld, sowohl beruflich als auch privat, zu Beginn immer sehr zurückhalte und erst einmal beobachte, sollte ich kaum in mögliche Fettnäpfchen treten, hoffe ich. Die ersten Kontakte, sowohl persönlich als auch per Mail, waren schon mal sehr positiv, und ich bin optimistisch, dass ich mich gut ins Team integrieren werde. In gut einem Monat werde ich mehr wissen, wenn ich meinen künftigen Kollegen und Kolleginnen beim gemeinsamen Ausflug erstmalig begegne.

Mittwoch, 3. August 2016

Apothekerpreise

Ich erinnere mich noch gut an den ersten Abend mit Rosalie. Wir waren zu Gast in einer Pizzeria mit Selbstbedienung. Ich wartete am Tisch, mein Schatz holte unsere Bestellung ab. Auf dem Tablett lag auch der Bon für die Rechnung, und der Betrag belief sich für zwei Pizzen, Wasser und zwei Gläser Wein auf mehr als 60 Franken. Ich war wirklich geschockt! War das eine Anzahlung, um den ganzen Laden zu kaufen?

Inzwischen habe ich mich zum großen Teil an dieses Preisniveau gewöhnt. Immer seltener rechne ich um und vergleiche mit den Preisen in Deutschland. Es ist einfach ALLES teuer, für Deutsche um so mehr, seit der Franken noch stärker geworden ist. Und es relativiert sich das auf den ersten Blick ordentliche Gehalt sofort, wenn man Steuern, Versicherungen und die üblichen Lebenshaltungskosten dagegen rechnet. Wer einmal in einem Schweizer Supermarkt einkaufen war, wird feststellen, dass die Summe der Preise ganz schnell dreistellig wird. Der Inhalt des Wagens ist dabei noch sehr "übersichtlich". Und ein ordentliches Steak essen wir dann gern mal in Berlin und weniger in einem Schweizer Restaurant ...

Der Unterschied wird auch schnell sichtbar, wenn man mal eine Handwerkerrechnung in den Händen hat. Ein Stundenlohn von 90 Franken ist ganz normal, und bei einem fünfstündigen Einsatz sind ohne Material, Anfahrt usw. pro Handwerker damit also schon 450 Franken weg. Ganz zu schweigen von den Ansätzen, die Anwälte verlangen. Da tränt einem nicht nur EIN Auge! Mein Schatz macht diesbezüglich gerade sehr leidvolle Erfahrungen.

Doch wer das Eine will, muss natürlich das Andere mögen. Und insgesamt passt das Preisgefüge dann am Ende eben doch für Schweizer - sonst würden ja alle am Hungertuch nagen oder auswandern. Ich muss nur aufhören umzurechnen, so wie man das auch gern mit Euro und D-Mark tut. Es lohnt einfach nicht, sich darüber aufzuregen. ;-)

Montag, 1. August 2016

Happy Birthday

Geburtstag hat heute die Schweiz, sie wird stolze 725 Jahre alt! Für mich wird das erst im nächsten Jahr ein Feiertag sein, heute muss ich leider noch arbeiten, und Rosalie feiert allein zu Hause.

Ich habe schon einen Nationalfeiertag in der Schweiz miterleben dürfen und festgestellt, dass der Nationalstolz dort wesentlich stärker ausgeprägt zu sein scheint als hierzulande. So ist es ganz selbstverständlich, dass man zumindest ein paar Fähnchen in oder um das Haus platziert. In den Geschäften gibt es vor diesem Tag allerlei "Zeug" mit dem Schweizer Wappen zu kaufen, von Servietten über Tassen, Handtüchern, Feuerzeugen bis hin zu Bettwäsche. Hier in Deutschland habe ich etwas Derartiges nur vor EM und WM gesehen!

Außerdem ist es beliebt, sich an diesem Tag zu treffen, zu grillieren und abends Raketen in den Nachthimmel zu schießen, mehr noch als an Silvester. Davon abgesehen, dass dies in Deutschland verboten ist, habe ich hier stets den Eindruck, dass man froh ist, nicht arbeiten zu müssen, aber ob es nun der Tag der deutschen Einheit oder Pfingstmontag ist, das macht überhaupt keinen Unterschied.

Also, alles Gute, liebe Schweiz, und bleib, wie Du bist!

Donnerstag, 28. Juli 2016

Work-Life-Balance

Bei meinem ersten Vorstellungsgespräch vor einem Jahr wurde ich gefragt, wie es denn um meinen Ausgleich von der Arbeit bestellt sei und was ich dafür tue. Meine Antwort damals war, und es gilt natürlich immer noch, dass unser charmantes Haus und der Garten Entspannung und Erholung pur seien.

Unser Teich im Garten
Am letzten Wochenende habe ich es bei bestem Sommerwetter wieder erleben können - der erste Kaffee des Tages auf dem Balkon, Frühstück auf der Terrasse unter den Bäumen, und am Abend ein Glas Wein am Teich, Fische füttern und den Blick in die Natur genießen. Jeder Tag zu Hause ist ein bisschen wie Urlaub!
Natürlich kann das nicht immer nur so sein, der Rasen mäht sich nicht von allein (vielleicht wäre ein Schaf eine gute Wahl?), es muss auch geputzt, eingekauft und Bürokram erledigt werden. Aber mit ein wenig Achtsamkeit können wir uns den Ausgleich immer wieder unmittelbar schaffen, wir haben alle Möglichkeiten dafür direkt vor der Tür. Und im Winter wird dann vor dem Kamin gekuschelt.

Montag, 25. Juli 2016

Missverständnis

Das Schweizer Deutsch ist durchaus eine Herausforderung. Zunächst einmal ist es zwar im Grunde ein Dialekt wie viele andere auch, mit dem ein Berliner sowieso dank mangelnder Übungsmöglichkeiten im nahen Umfeld so seine Probleme hat. Ich kannte ihn bisher nur aus dem TV von Emil, wobei der sich meist Mühe gab und sehr langsam sprach. Sehen wir mal davon ab, dass auch in jedem Tal noch ein etwas anders klingender (für Schweizer: tönender) Dialekt zu hören ist, bemerkt man, wenn man sich nach monatelangem Training eingehört hat, dass verschiedene Begriffe durch andere ersetzt oder zumindest verändert werden. Die Klassiker "Grillieren" und "Parkieren" kennen sicher viele. Das Velo ersetzt unser Fahrrad und die Brockenstube hat nichts mit einem Restaurant im Harz zu tun.

Wirklich verwirrt war ich allerdings, als mein Schatz eines Tages den Vorplatz am Haus wischen wollte! Wie jetzt, den ganzen asphaltierten Platz, so richtig mit Lappen und Wasser? Lohnt sich das denn dort? Sie verstand meine Frage nicht, aber der Platz hätte es wirklich nötig. Nun gut, wenn Du meinst ... Als sie dann mit einem Besen zurück kam, dämmerte es noch immer nicht. Ich nahm an, erst fegen, dann wischen. Aber nach dem Fegen war schon Schluss - denn das deutsche Fegen ist für Schweizer das Wischen! Irgendwie scheint da beim Übersetzen in grauer Vorzeit ein Fehler passiert zu sein und die Begriffe wurden verwechselt. Warum allerdings der Scheibenwischer dann nicht konsequent Scheibenfeger heißt, konnte ich noch nicht herausfinden.

Die Tatsache, dass Schweizer Mundart kein Präteritum kennt, sondern stets das Perfekt für die Vergangenheit nutzt, sei nur am Rande erwähnt. :-)

Doch ich liebe diese "niedliche" Sprache. Wo sonst wird fast jeder Begriff verkleinert und wirkt gleich noch viel liebenswerter. Allerdings sollte man nicht versuchen, den Dialekt selbst sprechen zu wollen, das wird unter Umständen als Veralberung aufgefasst und übel genommen. Und es klingt auch nicht gut, dafür fehlt irgend ein "Organ" im Rachen! :-) Wenn ich es daheim bei Rosalie mal zum Spaß versuche, klingt das angeblich immer holländisch ...