Seit rund 1,5 Jahren bin ich jetzt hier im Spital tätig, und was mir von Anfang an auffiel, war der ganz andere Umgang(-ston) untereinander. War ich aus dem ÖV in Berlin eine sachliche, nüchterne und sehr stark an Hierarchien angelehnte Kommunikation gewohnt, war schon mein erster Eindruck hier, dass es einen sehr offenen, fast freundschaftlichen Umgang miteinander gibt.
Ob das nun am Gesundheitswesen und/oder am Land (oder Berlin) liegt, kann ich nicht so recht beurteilen, weil mir der Vergleich fehlt, aber angenehm ist es auf jeden Fall. Wenn ich nur schon daran zurückdenke, wie wichtig sich damals einige Menschen anhand ihres "Ranges" genommen haben. Furchtbar. Gut, es gibt hier auch einige wenige Ärzte in Führungspositionen, die sich wie Götter fühlen, aber das ist wirklich die Ausnahme. Ansonsten weiss man nie, ob einem ein leitender Oberarzt oder Assistenzarzt gegenübersteht. Selbst der Klinikchef spricht einen mit Vornamen an. Diese Lockerheit ist wohltuend. Verwirrt hat mich dabei anfangs auch, dass man in Mails dann oft mit:"Lieber ..." angeschrieben wird. Damit habe ich mich etwas schwer getan, schliesslich kannte ich das daheim nur von mehr oder weniger vertrauten Personen. Inzwischen kommt mir das aber recht locker in die Tastatur
Neulich hatte ich eine weitere, fast schon typische Begegnung im Hause. Es gibt eine "Frau in Weiss", der ich fast täglich, manchmal sogar mehrfach auf dem Flur begegne. Wie das im Spital üblich ist, grüsst man sich auch unbekannterweise. Wir grinsten inzwischen schon, weil wir uns tatsächlich ungewohnt oft über den Weg liefen. So auch an diesem Tag: Zum ersten Mal trafen wir uns am Aufzug, zwei Stunden später auf dem Flur. Plötzlich streckte sie mir die Hand entgegen und meinte: "Also ich bin J. So oft wie Dich treffe ich hier niemanden im ganzen Spital!" Ich war überrascht, nannte auch meinen Vornamen, wir wünschten uns einen schönen Tag und gingen weiter.
Später im Büro schaute ich dann mal, wen ich da gerade begrüsst hatte: Eine Oberärztin aus einer anderen Klinik (übrigens auch eine Deutsche). Dienstlich haben wir überhaupt nichts miteinander zu tun. Um so sympathischer fand ich die Situation. Und es arbeitet sich halt viel besser, wenn man auf den Fluren nicht ständig irgendwelchen verkalkten, grummelnden, in sich gekehrten Angestellten oder Beamten über den Weg läuft, sondern sich irgendwie einem (riesigen) sympathischen Team zugehörig fühlt, in dem jeder den Anderen achtet.
Könnte man den Berliner Ton auch "preussisch" nennen (zackig und direkt)? Aus meiner Schweizer Zeit kenne ich nämlich auch eher den kollegialen Umgangston.
AntwortenLöschenA. aus Canada
Ja, da ist was dran. Der Berliner ist sehr direkt und sein Humor ist ziemlich trocken und kann durchaus auch als Frechheit missverstanden werden.
LöschenWenn man aber mal in den Verkehrsmitteln in die Gesichter der Mitreisenden schaut, stellt man erschreckt fest, wie viele grimmig, traurig, müde und in sich gekehrt drein schauen. Erschreckend.
Liebe Grüsse nach Canada.
Wo ist denn mein Kommentar abgeblieben? Lief auch unter "Anonym"
AntwortenLöschenIch hab nix gelöscht ... Keine Ahnung. :(
LöschenMeine Frage war, ob Sie umgekehrt auch die Chefs mit Vornamen anreden und ob dann geduzt oder gesiezt wird.
AntwortenLöschenDas beruht auf Gegenseitigkeit. Als "gelernter Deutscher" tue ich mich zwar immer schwer mit dem Du, aber wenn mich jemand dann duzt, entgegne ich genauso. Gerade heute hatte ich wieder ein kurzes Gespräch mit dem Klinikchef, und inzwischen kommt mir sein Vorname und das Du schon recht locker über die Lippen. :)
LöschenIst das in der Schweiz allgemein üblich oder nur bei Ihnen in der Klinik? Das erinnert mich an Skandinavien.
AntwortenLöschenDas kann ich nicht mit Sicherheit sagen, da müsste ich mal Rosalie fragen. :) Ich könnte mir vorstellen, dass es im Gesundheitswesen generell noch etwas anders ist als in anderen Branchen. Wobei, wenn ich versehentlich mal im TV bei einer deutschen Arztserie vorbei zappe, werden die Ärzte dort fast immer gesiezt, soweit ich mich erinnere ...
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