Dienstag, 20. März 2018

Die lieben Kollegen (19) - Verlassen

Ich hätte es besser wissen sollen. Wer sich in meinem Team auf Andere verlässt ...

Vor meinem Kurzurlaub hatte ich einen der beiden Kollegen (den ungekündigten) gebeten, am vergangenen Donnerstag ein bestimmtes Notebook zu ersetzen. Keine grosse Sache, man muss nur davon wissen, um das alte einfach gegen das gelieferte neue auszutauschen und noch ein Programm zu installieren.

Am Freitag las ich dann auf meinem dienstlichen Account (ja, ich weiss, sollte man nicht tun im Urlaub ...) die Antwort des anderen Kollegen auf ein Mail, in dem gefragt wurde, was denn mit diesem Austausch geschehen sei. Der wusste nichts davon und konnte daher nicht antworten. Ich wunderte mich zwar, ging aber davon aus, dass die beiden Team-Kollegen sich nach diesem Mail schon irgendwie verständigen würden, wenn schon am Donnerstag irgend etwas nicht geklappt hatte.

Am gestrigen Montag dann die Erklärung: Ich erhielt am Morgen ein Mail vom ungekündigten Kollegen, dass er "weiterhin" krank sei. In dem Moment hätte ich vor Wut in die Tischkante beissen können. Nicht nur über den Umstand, dass er schon wieder krank ist, sondern dass er mich weder am Donnerstag (das war sein erster Kranktag) informiert hat, noch seinen Kollegen bat, sich um das Notebook zu kümmern. Dadurch sah es nun so aus, als hätte ich das Ganze versemmelt. Aber bitte - ich kann doch nicht in böser Voraussicht, er könnte vielleicht schon wieder krank sein, das ganze Büro bitten, meinen Auftrag im Auge zu behalten. Und hätte der kranke Kollege nicht nur drei, sondern alle Personen im Büro über seine Krankheit informiert, also auch mich, hätte ich mit einem Satz auch aus Wien noch schnell den Auftrag delegieren können. Aber so ist alles daneben gegangen und ich kann nun Tage später sehen, wie ich das gerade biegen kann. Einmal mehr eine Meisterleistung.

Nicht genug damit, kam gestern Vormittag ein Mail für den kranken Kollegen an. Darin fragte die Chefin einer Klinik, wo denn die gewünschten Infos blieben und was aus dem geplanten Termin am (heutigen) Dienstag würde. Ich  hatte keine Ahnung, worum es dabei ging und wie die Vorgeschichte war, und da ich wusste, dass die Anfragende unserem Team ohnehin skeptisch gegenüber steht und auch von meinem Chef nicht viel hält, beschloss ich, persönlich im Büro vorbei zu gehen, anstatt die Frage telefonisch zu klären, wo jeder mithören könnte.

Als ich ihr dann sagte, dass der betreffende Kollege krank sei, meinte sie nur: "Sollte mich das wundern? Und warum tut Euer Chef nichts, es gibt doch Führungsinstrumente?" Fragen, die ich nicht beantworten konnte, zumal ich natürlich auch keine Kenntnis hätte, wenn dieser Schlappschwanz von Chef denn mal tatsächlich etwas unternehmen würde. Geht mich ja schliesslich als normaler Team-Mitarbeiter gar nichts an.

Sie fragte dann noch, ob man mich nicht klonen könne (oh, ein Kompliment - geht doch!) und beendete das Gespräch mit dem Hinweis, dass ich nichts unternehmen solle und wir nun warten, bis der kranke Kollege dann irgendwann wieder genesen ist.

Ich habe mir mal Gedanken gemacht, warum ich immer weniger mit meinem Chef anfangen und ihn nicht ernst nehmen kann: Er ist ein grosser Junge! Mit seinen rund 35 Jahren wirkt er wie Mitte Zwanzig, strahlt nichts aus, redet mit seinen Mitarbeitern am liebsten über Fussball oder lacht über dämliche Yout*be-Videos und wirkt in Gesprächen mit Kunden absolut nicht souverän, sondern unsicher und planlos. Schon mehrmals fühlte ich mich genötigt, bei solchen Terminen einzugreifen und das Zepter zu übernehmen, was zwar von der Kundenseite honoriert wurde, aber nicht im Sinne des Erfinders und auch nicht meine Gehaltsklasse ist.

Ein anderer Mitarbeiter fragte mich letzte Woche, wer denn künftig die Aufgaben des scheidenden Kollegen übernehmen wird und ob unser Chef mich nicht zu seinem Stellvertreter machen will. Nicht zuletzt gibt es jetzt auch wieder die jährliche Lohnrunde, bei der kleine Almosen verteilt werden. Nie viel, aber besser als nichts.

Die nächsten Wochen werden daher zeigen, wie weit es her ist mit der Wertschätzung des Chefs für seine Kollegen. Immerhin liege ich bei meiner aktuellen Beurteilung durch ihn bei über 100% Erfüllung. Dafür kann ich mir aber nichts kaufen. Und da ich hier im Team mal wieder derjenige mit dem geringsten Verdienst bin, wäre eine kleine Anerkennung durchaus eine gewisse Motivation. Bei den ständigen Fehlleistungen der beiden Kollegen wäre das dringend nötig, um weiter durchzuhalten.

P. S. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass der junge Kollege auch heute zu Hause bleibt, wie er gestern Abend per Mail mitteilte. Es ginge ihm "noch gaaaar nicht besser". Das bedeutet einerseits, dass er nun schon acht Tage am Stück daheim ist (da er mittwochs immer frei hat), und andererseits, da er seine Krankheit von Tag zu Tag verlängert, dass er bisher deswegen nicht beim Arzt war. Als Chef hätte ich bei diesem Verhalten längstens einen Krankenschein verlangt, aber das kommt hier offenbar niemandem in den Sinn. Und so macht jeder, was er will.



4 Kommentare:

  1. Theoretisch würde ich den als Chef für morgen einbestellen.
    Erst mal anrufen, ob es ihm besser geht, und dann Tschakka!
    Aber bei dir und mir als Chef würde der solchen Blödfug gar nicht verzapfen. Weil, wenn es überhand nimmt hat ein Chef sehr wohl das Recht, vom ersten Tag an ein ärztliches Attest zu verlangen, und ich kann mir vorstellen, das das in der Schweiz auch so ist.
    Ansonsten: Zähneknirschend alles liegen lassen.
    (Ich tu das grad. Das fühlt sich zwar merkwürdig an, aber auch irgendwie richtig.)
    Weil, ich bin ein Typ, ich bin auch gerne mal fertig. Deshalb habe ich meine Terminsachen unter Kontrolle, und "darf" dann gerne noch Dinge von Kollegen aufarbeiten, die die schon Wochen/Monate vor sich her schieben.

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    1. Da sind wir uns offenbar sehr ähnlich. Ich mag es gar nicht, wenn da irgendwelche Termine und Fristen herumwabern und ich nicht genau weiss, was auf mich zukommt und ob das alles in der Frist zu schaffen ist. Aber dann passiert genau das: Ich hab wenige offene Tickets, der Kollege viel, aber alles altes Zeug, das längst hätte erledigt sein können und müssen. Wirkt aber, wenn man nicht so genau hinschaut, als wäre er völlig überlastet - und so landet der Müll dann bei mir.
      Ich bemühe mich nun - in logischer Konsequenz - auch, langsamer zu sein und Dinge liegen zu lassen. Fällt aber in der Tat schwer.
      Der kranke Kollege hat letzte Woche wohl noch diverse weitere Termine verstreichen lassen, ohne sie abzusagen oder zu delegieren, und damit unsere Kunden ziemlich verärgert. Meinen Chef auch, aber bekanntermassen hält dieser Ärger nur wenige Minuten an. Dumm nur, dass dieser "Chef" eben diesen Kollegen erst kürzlich (zu Unrecht) in Schutz genommen hat. Nun straft der ihn Lügen. Tja, das Leben ist hart ...

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    2. Stimmt.
      Weißt, ich hab ja kein Problem, wenn wer krank ist - das ich zum Beispiel die Daten der letzten drei Tage noch in eine Statistik basteln muss oder so.
      Selbst unsere Regierung nimmt gelassen, wenn so was dann im Akutfall - wie jetzt grad - mal nicht ganz komplett ist. Bloss, wenn nach 6 Wochen Zeit noch nicht mal angefangen ist, dann ist es einfach nur miese Organisation.
      So stelle ich das auch dar, mittlerweile. Und zum Glück ist das auch den Chefitäten mittlerweile zu Bewusstsein gekommen. Die Zahlen sagen nämlich klar und deutlich: Ich hab die meisten Leute, und trotzdem wird's fertig. Ursprünglich wurde nämlich mal angenommen, ich hätte weniger als andere zu betreuen....Nee, ich kann mich nur besser organisieren. Und wenn ich drei Mann die selbe Rede halten muss, da versuch ich dann halt die Rede nicht drei mal zu halten....Erscheint erstmal logisch, oder? Klappt nicht immer, aber oft ist es klug, erstmal innezuhalten, und mal 10 min zu Überlegen, wie wir vorgehen.....

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    3. Logisch, es kann immer etwas passieren und man kann nicht alle Eventualitäten im Voraus planen. Und niemand wird sich aufregen, wenn man krank ist. Solange das nicht irgendwann System hat und genau immer dann passiert, wenn es eng wird, Fristen enden oder Arbeiten fertig zu stellen sind.
      Und Arbeitsorganisation ist eine große Schwäche beider Kollegen. Allein nur der Schreibtisch des Herren hinter mir spricht Bände ... Ich weiß nicht, wie man SO arbeiten kann.
      Eigentlich sollte ich mir um all das keine Gedanken machen, denn es betrifft mich nicht direkt und liegt auch nicht in meiner Verantwortung. Aber ich kann das nicht. :-/

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